Jahresmitgliederversammlung 2020 KV München und Umgebung Typisch Oberbayern! Ein Klischee wird zelebriert.

 

Bezirksheimatpfleger Dr. Norbert Göttler beim KV München

Die diesjährige Jahreshauptversammlung des Kreisverbandes München und Umgebung e.V. verlief in einem Jahr ohne Vorstandswahlen noch vor der Coronakrise ruhig und unspektakulär.

In seinem Rechenschaftsbericht ging der Kreisvorsitzende, Bezirksrat Hubert Dorn noch einmal kurz auf die Veranstaltungen des abgelaufenen Jahres ein und lobte insbesondere die wieder steigenden Besucherzahlen. Auch die Zahl der Neumitglieder ging 2019 wieder nach oben.

Erfreuliches konnte auch die Schatzmeisterin Vera Freudlsperger berichten. Wieder schloss das abgelaufene Jahr mit einem Überschuss ab. So kann der Beitrag auch für das kommende Jahr auf dem gleichen Niveau gehalten werden wie schon seit 2002. Die Kassenprüfer Erwin Talirsch und Alexander Heidel lobten die einwandfreie Buchführung und stellten den Antrag auf Entlastung der Vorstandschaft, die bei Enthaltung Betroffener einstimmig erteilt wurde.

In einer knappen halben Stunde waren die Regularien erledigt, sodass dem Höhepunkt des Abends nichts mehr im Wege stand.

Als Referent hatte sich erfreulicher Weise der Bezirksheimatpfleger des Bezirks Oberbayern, Dr. Norbert Göttler zugesagt zu dem Thema „Typisch Oberbayern! Ein Klischee wird zelebriert“ zu referieren.

In das Thema eingeführt hat Dr. Göttler mit dem folgenden Text:

„So also ist hier das Volk: Von einer dumpfen, stierhaften Gereiztheit, Streitlust und Rauflust, die zu der ohnehin bedeutenden Herzensrohheit, welche uns Deutsche leider auszeichnet, noch als bayerischer Besonderheit hinzutritt. (…) Die bayerische Bevölkerung zerfällt in zwei Teile, einen kleineren und einen weitaus größeren. Den ersten bilden die, welche von Beruf Metzger sind. Den zweiten jene, die nur so aussehen!“

Dr. Göttler beeilte sich hinzuzufügen, dass nicht alle sich so drastisch wie der österreichische Schriftsteller Heimito von Doderer (1896-1966) geäußert haben. Von Doderer war mit der Nichte Ludwig Thomas verheiratet. Wenn sich viele andere wohl so nicht geäußert haben, so haben sich das aber sicher viele gedacht. Von Doderer glaubte sich dieses Urteil anmaßen zu können, nachdem er von 1936 bis 1938 in Oberbayern ansässig war. Er hat geschöpft aus der stets sprudelnden Quelle eines einschlägigen Stereotyps, das längst vor seiner Zeit geboren wurde. So verwies Dr. Göttler auf den in Abensberg geborenen Johann Georg Thurmair (1477-1534), besser bekannt unter seinem Humanistennamen Johannes Aventinus, der 1526 in seiner „Bayerischen Chronik“ folgendes schrieb:

„Das baierische Volk trinkt sehr, macht viel Kinder, ist etwas unfreundlich und eigensinniger, wie es geht bei Leuten, die nit viel hinaus kommen. (….) Der gemeine Mann sitzt Tag und Nacht beim Wein, schreit, singt, tanzt, kartet, spielt, mag Wehr tragen, Schweinsspieß und lange Messer!“

Wenn sich der „Gscherte“ mit seinen bekanntermaßen beschränkten geistigen Mitteln nicht mehr zu helfen weiß, musste er zur Gewalt greifen. In diesem Zusammenhang verwies Dr. Göttler auf Ludwig Thoma und seine Erzählung „Agricola“, die 500 Jahre später erschien. Dort schrieb Thoma ausführlich über den Ablauf einer „Schlacht“ in Bayern. Sie begann nach seinen Ausführungen mit einem wilden Schlachtgesang begann und in einem ausufernden Schlachtengetümmel endete.

Dr. Göttler führte noch eine ganze Reihe teils wenig schmeichelhafter Äußerungen berühmter Schriftsteller an, die sich über Bayern und seine Menschen geäußert haben. Sie aufzuzählen würde allerdings Stoff für eine Sonderausgabe liefern. So zählen zu diesen Schriftstellern, die sich teils freundlich aber teils auch sehr unfreundlich, vielfach auch sehr kontrovers über dieses Thema geäußert haben unter anderen Oskar Maria Graf, sowie Vertreter der großen Literatur wie 1828 schon Heinrich Heine in seiner „Reise von München nach Genua“ und Thomas Mann in seinem Welterfolg von 1903 „Buddenbrooks“.

„Vorurteile sind schwerer zu zertrümmern als Atome“ wusste schon Albert Einstein. Was aber verstehen wir unter Klischee? Der Begriff stammt aus dem Französischen und bedeutet letztendlich so viel wie „abgedroschene Redensart“ oder „schablonenhaft-einfältiges Denkschema“ und steht auch für falsche Verallgemeinerung. „Typisch München“ brachte es sogar zum Titel einer Ausstellung im Münchner Stadtmuseum, war dort allerdings als liebevolle eine Zusammenfassung für eine Darstellung der Landeshauptstadt über die vergangenen Jahrhunderte. Wobei Vieles, das immer mit Oberbayern und vor allem München in Verbindung gebracht wird erst im 19. Jahrhundert „erfunden worden“: Oktoberfest 1810, Nationaltheater 1818, Münchner Kindl 1847, Weißwurst 1857, Schäfflertanz 1871. Auch viele „typisch oberbayerische“ Formen von Tracht, Mundart und Volksmusik entstanden erst in dieser Zeit.

Vielfach wird der Begriff Klischee aber gar nicht so freundlich gebraucht: „Typisch Bayern“ oder Typisch Preußen“ ist sicherlich nicht als besonders freundliche Beschreibung dieser Volksstämme gedacht.

Nun aber zum „Oberbayern-Klischee“.

Schon 1534 klassifizierte der Schwabe Sebastian Franck in seinem „Weltbuch“ die Bayern als „grob und nit sehr höflich“ und ohne Bayern je betreten zu haben hat der preußische Alte Fritz folgende Einschätzung abgegeben: „Bayern ist Deutschlands fruchtbarstes Land und sein geistlosestes. Es ist ein Paradies, von Tieren bewohnt“.

Typische Beispiele für unfreundliche Hetero-Stereotype, Fremde Gruppen und Einzelpersonen urteilen da über andere. Den Bayern, speziell Oberbayern wurde das „Sepplbayerntum“, die geistige Mittelmäßigkeit, so lange aufgeschwätzt, bis viele von ihnen ihre Selbstdarstellung danach ausrichteten. Gerade Tourismus- und Eventmanager, verschiedene Bauertheater, aber auch sog. „Brauchtumsvereine“ trugen das ihre dazu bei, das Sepplklischee zu verbreiten.

Dr. Göttler beschrieb auch alte Bräuche wie das Haberfeldtreiben, von dem nach außen hin nur die übelsten Auswüchse verbreitet wurden.

Abschließend kam Dr. Göttler noch auf ein Klischee der harmloseren, aber teilweise nicht weniger verallgemeinernder, Art zu sprechen, den g’scherten Dachauer.

Als Paradebeispiel präsentierte er den Dachauer Bauern, der früh zum Zerrbild von Presse, Literatur und Bühne avancierte.

„Ein unansehnlicher, kleiner, breitschultriger, grob liniamentirter, braun- oder schwarz-haariger Menschenschlag, dessen Kleidung (…) äußerst arm und elend und kaum einige Gulden Wert ist. Vorzüglich aber ist das Weibervolk so zusammengeschnürt und gepolstert, dass es kaum glaublich ist, wie sie sich so hässliche Anzüge so lange erhalten konnten“.

1803 wurden mit diesen Zeilen die Bewohner des Landgerichts Dachau karikiert. Joseph von Hazzi, Reiseschriftsteller aus München, kommt der zweifelhafte Ruhm zu, auch Mitbegründer des Klischees vom g’scherten Dachauer zu sein, der als sauf- und rauflustiger Bewohner des ländlichen Hinterlandes insbesondere von nicht gerade wohlmeinenden sog. Bauerntheatern kaum wegzudenken ist. Aber es gibt auch einen anderen Typ aus dem Dachauer Land, dem insbesondere Ludwig Thoma zur Unsterblichkeit verhalf in der Person des Landtagsabgeordneten Josef Filser und den weit verbreiteten Filserbriefen.

Mit diesem versöhnlichen Ausklang schloss Dr. Göttler seine Ausführungen, denen eine mehr als 40-seitige Ausarbeitung zu Grunde lag. Langanhaltender Beifall der zahlreichen anwesenden Mitglieder zeigte, dass Dr. Göttler in Inhalt und Vortrag genau ihren Geschmack getroffen hatte.

Kreisvorsitzender Bezirksrat Hubert Dorn bedankte sich mit einem guten Tröpfchen Wein bei Bezirksheimatpfleger Dr. Norbert Göttler für dessen ausgezeichnete Bereicherung der diesjährigen Jahresmitgliederversammlung. (Josef Kirchmeier, Ehrenvorsitzender)

Fotos:

Bezirksheimatpfleger Dr. Norbert Göttler (stehend), Kreisvorsitzender Hubert Dorn (Fotos: Silvia Drewniok)

 

Interessierte Zuhörer bei der Jahresmitgliederversammlung des Kreisverbands München, rechts: Ehrenvorsitzender Josef Kirchmeier (Foto: Silvia Drewniok)