LESERBRIEF zum WBR-Beitrag „Vom Mut, Bayern neu zu denken“ (Landesentwicklungsprogramm 2021)
Wenn bei notwendigem Landverbrauch immer öfter pauschal von Zubetonieren der Landschaft geredet wird, wird das der Sachlage nicht gerecht. Es ist wie bei der Verschuldung der öffentlichen Haushalte: entscheidend ist, für welche Verwendung (Investitionen oder Konsum) es geschieht. Es kommt immer darauf an, für was der Grund verwendet wird und ob es Alternativen gibt. Die Flächenverwendung – nicht immer ist es ein Verbrauch – steht unter der Reihenfolge Mensch, Tier, Pflanze/Natur. Der Erhalt der Natur (einschließlich der Siedlungsgebiete der Tierwelt) darf also dort Einschränkungen erfahren, wo ein den Menschen dienendes höheres Ziel Vorrang hat. Wo es irgendwie geht mit Ausgleichsmaßnahmen. Was nützt den Bürgern eine überall intakte Natur, wenn sie keine Wohnung und/oder keinen Arbeitsplatz haben? Bei Zunahme der Bevölkerung – natürlicher oder hereingeholter – müssen eben auch die Folgen getragen werden.
Das als „Zubetonieren“ Bezeichnete ist ja kein bösartiger Selbstzweck sondern dem Bedarf geschuldet. Die verbrauchten Flächen haben überdies einen immer höheren Anteil an grüner Begleitung bei Wohn-, Gewerbe- und Verkehrsbauten, die in der Statistik ebenfalls als Verbrauch erfasst werden. Die plakative Umrechnung in Fußballfelder (a 6000 qm) täuscht darüber hinweg, dass es sich im Jahr um ca. ein Promille der Fläche handelt. So wird das Klima dadurch auch nicht bei uns beeinträchtigt, sondern z. B. durch die wirklich gigantischen Abholzungen in Südamerika. Selbstverständlich ist trotz der Bevölkerungszunahme ein Ende des zusätzlichen Flächenverbrauchs anzustreben und auch abzusehen.
Schon durch den Verzicht auf weitere Kohleabbauflächen wird viel Fläche gerettet. Beim Ausbau des überörtlichen Straßennetzes ist mit dem Grundnetz ein Ende vorgegeben und bei Bahnlinien letztlich auch. Es wäre denen gegenüber ungerecht einfach aufzuhören, die jetzt endlich mit dem Ausbau dran sind, nachdem sie 40 Jahre gewartet haben, während woanders alles fertig wurde. Neue Friedhöfe sind nicht mehr nötig, weil immer mehr Urnengräber kommen. Öffentliche Bauten und Sportplätze wird es nur dort noch brauchen, wo die Bevölkerung überdurchschnittlich wächst – im Amateurbereich bestenfalls ohne Kunstrasen. Und neue Kasernen werden wir hoffentlich nie mehr brauchen. Bleibt noch der Wohnungs- und Gewerbebau, wo es sich immerhin um menschenwürdigen Wohnraum sowie Büro-, Versorgungs- und Produktionsflächen handelt. Letztere schaffen – bestenfalls heimatnahe – Arbeitsplätze, die nur der nicht schätzt, der einen sicheren hat. Auch verringert eine wohnungsnahe Versorgung Beschaffungsverkehr.
Selbstverständlich muss Vorrang vor neuem Flächenverbrauch haben, den bestehenden intelligenter zu nutzen. Eine nun endlich in Gang kommende Flächenkreislaufwirtschaft muss als Endziel die Beendigung des Neuverbrauchs an Boden haben und natürlich auch die Klimaneutralität im Auge behalten! Bei neuen Bedarfsflächen ist von allen staatlichen Ebenen je nach Zuständigkeit zu prüfen, ob es Alternativen gibt. Bei jahrelangen Leerständen (meistens sowieso Schandflecken) könnte eine gesetzliche Pflicht zur – vergüteten – Wiederzurverfügungstellung eingeführt werden. Bei Gewerbe- und Versorgungsbauten sollte zumindest die Zweigeschossigkeit die Regel werden – einschließlich der Parkflächen. Bei Wohnraum wäre eine Nachverdichtung (Anreize?) dort sinnvoll, wo Wohnungsnot und übergroße Grundstücke zusammentreffen, natürlich der vorhandenen Siedlungsstruktur angepasst.
Schon die Preisentwicklung wird dafür sorgen, dass – zumindest in den Städten – die Grundstücke kleiner und die Häuser höher werden. Im übrigen geht die Wohnqualität nun einmal mit der Fläche einher, die für jeden Menschen zur Verfügung steht. Wenn die Bürger immer mehr Zeit zuhause verbringen, darf die häusliche Lebensqualität nicht außer Acht gelassen werden, auch wenn Einfamilienhäuser mehr Platz und längere Zufahrtsstraßen benötigen. Mensch vor Natur! Allerdings: Dass durch die Baumaßnahmen beim Landverbrauch auch Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden, ist hier ein Kollateralnutzen, der als Selbstzweck kein Argument sein darf.
Gerade Trassen brauchen grundsätzlich weniger Fläche. Bei neuen – sichereren und zeitsparenden – Straßen müssen jedoch mehr alte Strecken zurückgebaut werden, damit dies ein Vorteil wird. Für entlastende Ortsumgehungen gilt wieder: Mensch vor Natur. Und auch bei Bahntrassen wird nicht jede alte Strecke neben der – Inlandsflüge ersetzenden – Schnelltrasse noch benötigt. Wo die S-Bahn kilometerlang durch Wiesen (und eventuell Wälder) fast ohne Besiedlung fährt, wäre zu prüfen, ob hier Menschen zur vorhandenen Infrastruktur gebracht werden könnten, die anderswo mühselig geschaffen werden muss (Beispiel Raum Fischerhäuser Richtung Flughafen). Als Ausgleich könnte z. B. die doppelte Fläche weiter draußen aufgeforstet werden. Sinnvoll sind auch die Hochwasser-Ausgleichsflächen als Doppelnutzung im landwirtschaftlichen Normalfall und im Katastrophenfall – natürlich gegen volle Entschädigung auch eventueller Folgelasten.
Zum Schluss erlaube ich mir noch eine ironische Anmerkung an alle, denen es rein um die Flächen geht: Die wenigste Fläche in ihrem jeweiligen Bereich würden lauter Wolkenkratzer, der Flugverkehr (am besten mit Wasserstoff) und die Stromgewinnung aus Kernkraft benötigen….
Konrad Schwarzfischer
konrad.schwarzfischer@t-online.de
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