„Wir bringen Hochschulangebote in die Fläche.“

Vorabdruck eines Interviews mit Staatsminister Bernd Sibler MdL aus der Weiß-Blauen Rundschau 1/22 des Bayernbundes

In Deutschland sind die Länder primär für die Gesetzgebung und Verwaltung auf dem Gebiet der Kultur zuständig. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes bestätigt die Kulturhoheit der Länder im Föderalismus als Kernstück der Eigenstaatlichkeit.

 

In Bayern gehören Wissenschaft (Hochschulen, Forschung), Kunst und Kultur (Freie Kunst-Szene, Theater, Museen, Bibliotheken, Denkmalschutz) sowie das Studium (Universitäten, Hochschulmedizin, Hochschulen für angewandte Wissenschaften, Förderung und Stipendien, Studienabschlüsse) zur Zuständigkeit des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst. Zuständiger Minister ist Bernd Sibler, der auch stellvertretender Landesvorsitzender des Bayernbundes ist. Landesvorsitzender Sebastian Friesinger und Redakteur Fritz Lutzenberger haben mit ihm gesprochen. Die hervorragende Zusammenarbeit im Landesvorstand des Bayernbundes erlaubt die Anrede mit einem vertrauten „Du“.

 

Frage:

 

Lieber Bernd, allen Bürgerinnen und Bürgern in Bayern soll der Zugang zu einer Hochschule möglich sein. Die Zahl der Studienanfänger hat in den letzten Jahren auch deutlich zugenommen. Wie stellt sich die Entwicklung an den Hochschulen und Universitäten dar?

 

Wir haben in Bayern so viele Studentinnen und Studenten wie nie, deutlich über 400.000. Das zeigt, dass wir in den vergangenen Jahren vieles richtig gemacht haben. Unsere jüngste Initiative sind zusätzliche Studienplätze, rund 13.200, und rund 1.000 Professuren insbesondere in technischen Zukunftsfeldern. Das geht zurück auf die Initiative unseres Ministerpräsidenten Markus Söder. Wir haben Ende 2019, also schon vor der Corona-Krise, eine milliardenschwere, international beachtete Innovationsoffensive gestartet, unsere Hightech Agenda Bayern. Kein anderes Bundesland hat ein derartig kraftvolles Förderpaket für die wichtigsten Forschungsfelder und Technologien der Zukunft aufgelegt. Sie kommt direkt an unsere Hochschulen an. Und wenn wir auf das vergangene Jahrzehnt blicken: Mit unserer Regionalisierungsstrategie haben wir Hochschulangebote mehr als zuvor in die Fläche gebracht. Egal an welchem Ort in Bayern, im Umkreis von etwa 50 Kilometer gibt es inzwischen ein attraktives Hochschulangebot. Nehmen wir zum Beispiel Pfarrkirchen: Inzwischen studieren am European Campus Rottal-Inn der TH Deggendorf rund 1000 junge Menschen. Das hätte sich vor 15 Jahren kaum jemand vorstellen können. Durch diese dezentralen Studienangebote werden hochqualifizierte Fachkräfte direkt vor Ort, in der Region ausgebildet. Das bedeutet einen großen Gewinn für die Regionen, für die Menschen in den ländlichen Räumen, denn wir sichern so Arbeitsplätze und sorgen für einen Wissenstransfer in die Unternehmen der Region hinein. Für mich ist das ein echtes Erfolgsmodell. Auf das bin ich genauso stolz wie auf unsere großen bayerischen Exzellenzuniversitäten von Weltrang. Spitze und Breite, das zeichnet Bayern aus. Ich bin überzeugt davon: Vielfalt wird auch in Zukunft Stärke bedeuten.

 

 

Frage:

 

Wie steht es generell um die Wissenschaften in Bayern? Welche Leuchttürme siehst Du und wo gibt es einen gesunden und stimulierenden Wettbewerb mit anderen Bundesländern und international?

 

Bayern ist ein Wissenschaftsland und ein Top-Standort, wenn es um wegweisende Forschung und international sichtbare Spitzeneinrichtungen geht! Hier werden die Fragen der Zukunft beantwortet. Und zwar von weltweit renommierten Forscherinnen und Forschern genauso wie von ambitionierten und ausgezeichneten Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern. Dass Wissenschaft in Bayern auf höchstem Niveau stattfindet, beweisen zum Beispiel die zahlreichen Top-Platzierungen in weltweiten Rankings und die vielen renommierten Auszeichnungen für unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – von Leibnitz-Preisen über Humboldt-Professuren – immer wieder. Und diese Spitzenstellung bauen wir weiter aus. Forschung und Lehre haben in Bayern höchste politische Priorität. Das zeigt unsere schon angesprochene Hightech Agenda Bayern: Wir investieren in innovative Rahmenbedingungen für Forschung und Lehre, schaffen mehr Studienplätze und mehr Stellen und richten Spitzenforschungszentren ein. Ein echter Leuchtturm ist dabei unser bayernweites Engagement im Bereich der Künstliche Intelligenz. Mit 100 KI-Lehrstühlen spannen wir ein KI-Forschungsnetzwerk über den gesamten Freistaat und werden so Vorreiter in einer der wichtigsten Zukunftstechnologien. Dabei steht der Mensch für mich immer im Mittelpunkt, denn Wissenschaft und Technik sind kein Selbstzweck, die Technik muss den Menschen dienen. Daher brauchen wir interdisziplinäre – auch geistes- und sozialwissenschaftliche – Forschung und Lehre, die sich mit dem Wechselverhältnis von Technik und Gesellschaft auseinandersetzt. Sie machen den Wandel für den Menschen begreifbar. Dass wir dabei nicht in alten Kategorien und Grenzen denken, zeigt übrigens auch das Konzept unserer neuen und damit zehnten bayerischen Universität, der Technischen Universität Nürnberg. Wir entwickeln in der Mitte Bayerns eine Universität mit Modellcharakter für ganz Deutschland. Sie ist international, interdisziplinär und digital angelegt und wird mit der regionalen Wissenschaft und Wirtschaft eng vernetzt sein. Und bei Leuchttürmen fällt mir natürlich unsere bayerische Hochschulmedizin ein. Mit den innovativen Forschungsprojekten an unseren Unikliniken ist sie die Speerspitze im Kampf gegen die Corona-Pandemie – aber natürlich bei Weitem nicht nur dort. Ob Herz-Kreislauf, Krebs oder COVID: Ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse retten Leben.

 

 

Frage:

 

Dem Bayernbund und Dir ganz persönlich sind der Föderalismus und die Eigenstaatlichkeit Bayerns besonders wichtig. Andererseits versucht der Bund sich über Fördermittel Einfluss auf die Kulturpolitik in Bayern zu sichern. Können sich die Länder ihre regionale kulturelle Identität noch bewahren?

 

Gerade im Bereich der Kultur ist die Eigenverantwortung der Länder von zentraler Bedeutung. Denn auch hier gilt wieder: Vielfalt bedeutet Stärke. Und diese Vielfalt müssen wir erhalten. Bayern hat in allen Regionen kulturell sehr viel zu bieten, ist stark in seinen Traditionen verankert. Das ist ein unschätzbarer Wert, den wir selbstbewusst und eigenständig verteidigen. Das habe ich auch 2020 als Vorsitzender der Kulturministerkonferenz immer betont. Der Kulturhoheit der Länder verdanken wir die beeindruckende Vielfalt und Vielschichtigkeit der Kultur in ganz Deutschland. Kultur lässt sich nicht zentral regeln, denn Kultur ist das, was die Menschen vor Ort gestalten. Mit unserem Kulturfonds und vielen weiteren Fördermöglichkeiten sorgt der Freistaat für möglichst passende Rahmenbedingungen. In der Corona-Pandemie ist Unterstützung natürlich besonders wichtig, denn die Kunst- und Kulturszene wurde – wie viele andere – hart getroffen. Deshalb habe ich mich schon früh in der Krise für verschiedene Hilfsprogramme eingesetzt, die wir dann auch in Rücksprache mit der Freien Szene auf den Weg bringen konnten. Wir haben zum Beispiel ein Programm für die Laienmusik, für soloselbständige Künstlerinnen und Künstler, eines für Spielstätten und Veranstalter und auch der künstlerische Nachwuchs erhält Unterstützung. Das findet auch bundesweit Beachtung.

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Bayerns Kunstminister Bernd Sibler: „Wir können Kunst und Kultur im wörtlichen wie im übertragenen Sinn wieder mehr Raum geben. Die neue Auslastungskapazität ermöglicht mehr Publikum und damit auch mehr Perspektive für unsere Kunst- und Kultureinrichtungen in Bayern, insbesondere für die kleineren Bühnen. Unsere Kultureinrichtungen haben längst bewiesen, dass sie sehr gute und effektive Maßnahmen ergriffen haben, um die Ansteckungsgefahr auf ein Minimum zu reduzieren.“     ©Axel König, STMWK

Bayerns Kunstminister Bernd Sibler: „Wir können Kunst und Kultur im wörtlichen wie im übertragenen Sinn wieder mehr Raum geben. Die neue Auslastungskapazität ermöglicht mehr Publikum und damit auch mehr Perspektive für unsere Kunst- und Kultureinrichtungen in Bayern, insbesondere für die kleineren Bühnen. Unsere Kultureinrichtungen haben längst bewiesen, dass sie sehr gute und effektive Maßnahmen ergriffen haben, um die Ansteckungsgefahr auf ein Minimum zu reduzieren.“  ©Axel König, STMWK

 

Frage:

 

Die Kulturschaffenden sind oftmals selbständige Einzelunternehmer und haben in der Corona-Pandemie besonders gelitten. Dürfen Kunst- und Kulturschaffende auf eine weitere Unterstützung durch die Staatsregierung hoffen?

 

Die Pandemie ist zweifellos ein schwierige, für manche gar existentielle Lage. Es ist nicht einfach, alle Interessen unter einen Hut zu bekommen, die notwendigen Beschränkungen bei kulturellen Veranstaltungen fallen mir wirklich nicht leicht. Von Beginn an habe ich sehr viele Gespräche mit den Betroffenen geführt, um zu wissen, was sie brauchen und wie wir helfen können. Unsere Hilfsprogramme haben wir bereits bis Ende März 2022 verlängert. Selbstverständlich setze ich mich weiterhin massiv für eine weitere Verlängerung der Programme, für eine zusätzliche Unterstützung unserer Kulturschaffenden ein. Wir setzen alles daran, unsere Kulturlandschaft weiter zu stabilisieren und durch die anhaltende Krise zu lotsen. Dabei gehen wir übrigens auch neue Wege. Mit unserer Initiative „Bayern spielt“ konnten wir im vergangenen Sommer Kunst und Kultur wieder als Open Air-Angebote zu den Menschen bringen. Das direkte Erleben ist doch etwas ganz Besonderes. Das wieder zu ermöglichen, ist mein Herzenswunsch für 2022.

 

Erlanger Forschung liefert lebensrettende Erkenntnisse in der COVID-19-Pandemie – Wissenschaftsminister Sibler besucht Universitätsklinikum Erlangen (@Michael Rabenstein/Uni-Klinikum Erlangen)

Erlanger Forschung liefert lebensrettende Erkenntnisse in der COVID-19-Pandemie – Wissenschaftsminister Sibler besucht Universitätsklinikum Erlangen (@Michael Rabenstein/Uni-Klinikum Erlangen)

 

Frage:

 

Welche Konsequenzen erwartest Du aus dem Regierungswechsel in Berlin für die Wissenschaftspolitik in Bayern? Die neue Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat bereits mehr Kompetenzen für den Bund gefordert.

 

Trotz der neuen Konstellation in Berlin werden wir in der Wissenschaftspolitik des Bundes ein gewichtiges Wort mitreden und unsere Positionen selbstbewusst vertreten. Die Erfolge des Wissenschaftsstandorts Bayern sprechen schließlich für sich. Seit 1. Januar bin ich Vorsitzender der Länderseite in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern. Das hilft natürlich. Das deutsche Hochschul- und Wissenschaftssystem befindet sich in einem sehr guten Zustand. Darauf dürfen wir uns aber nicht ausruhen. Wir müssen uns weiterzuentwickeln, wenn wir unser Land weiter zukunftsfest machen wollen. Das muss das Ziel sein. Gerade den großen Zukunftsthemen wie zum Beispiel Spitzenmedizin und Gesundheitsversorgung, Nachhaltigkeit oder Quantentechnologien, die wir in Bayern schon kräftig vorantreiben, müssen wir uns noch gezielter gemeinsam annehmen.

 

 

Frage:

 

Im Verlauf der Corona-Pandemie hat sich bundesweit ein deutlicher Rückstand Deutschlands bei der Digitalisierung gezeigt. Informationen und Wissen nehmen mit großer Geschwindigkeit zu. Der Umgang mit neuen Technologien ist jedoch vielen Menschen fremd oder verschlossen, wie die Erfahrungen mit dem digitalen Unterricht an Schulen und Hochschulen zeigen. Was unternimmt die Staatsregierung, um die digitale Bildung in Hochschulen und Kultur voranzubringen?

 

Von einem „deutlich Rückstand Deutschlands“ würde ich nicht sprechen, zumindest nicht im Hochschulbereich. Gerade unsere Universitäten und Hochschulen haben die Umstellung auf digitale Semester erfolgreich bewerkstelligt. Daran kann man sehen, wie groß das Innovationspotential unserer Hochschulen ist und wie gut die Ausgangslage bei der digitalen Lehre schon war. Ich denke, diesen Innovationsschub in der digitalen Lehre aus den Corona-Semestern können wir gut in der Zukunft nutzen. Online-Angebote können die Präsenzlehre klug ergänzen. Eine Erhebung unter den Studierenden in Deutschland hat erst kürzlich gezeigt, dass sich vier von fünf Studierenden dauerhaft eine Mischung aus Präsenz und Online wünschen. Damit das gelingt, kümmern wir uns schon jetzt um die nötigen Rahmenbedingungen. So hat Bayern beispielsweise einen deutschlandweit einmaligen rechtlichen Rahmen für digitale Prüfungen geschaffen und Kompetenzzentren zum weiteren Ausbau digitaler Prüfungsformate eingerichtet. Was mir besonders wichtig ist, ist, dass wir die Lehrenden und Studierenden mit all diesen Möglichkeiten und den Chancen, die sie bieten, vertraut machen. Deshalb befassen sich zahlreiche hochschulübergreifende Plattformen mit der digitalen Didaktik, bieten Fortbildungen an und Entwickeln den Einsatz der digitalen Lehrformate weiter.

 

Und was die Kultur betrifft: Wir haben in Bayern die große Relevanz der Digitalisierung für den Kulturbereich früh erkannt. Für die digitale Kulturvermittlung habe ich im Ministerium deshalb eine neue Anlaufstelle eingerichtet, über die wir digitale Projekte finanziell und konzeptionell unterstützen. Dabei werden Experimente zu echten digitalen Konzepten weiterentwickelt und professionalisiert. Zahlreiche Rückmeldungen zeigen mir immer wieder, dass die Kulturschaffenden neue digitale Vorhaben mutig angehen und auch unsere Unterstützung annehmen. Kultur und Digitalisierung sind zwei starke Partner. Und das gilt nicht nur für Museen, Theater und Konzerthäuser. Wir haben auch die freie Szene fest im Blick. Deshalb unterstützen wir mit Projekten wie „Digital-Stage“ und „XR-Stage“ freie Künstlerinnen und Künstler in ihrem Wunsch, den digitalen Raum kreativ zu erschließen. Und wir schaffen und finanzieren virtuelle Proben-, Aufführungs- und Ausstellungsmöglichkeiten. Auch hier zeigt sich: Wir sind in Bayern vorn dabei, wenn es um Zukunftsvisionen geht. (Fragen gestellt von Redakteur Fritz Lutzenberger)

#BerndSibler#Bayern#Universitäten#Kultur#Bayernbund