Demokratie im Abwehrmodus – Bayern im Krisenjahr 1923

Demokratien sind nicht perfekt. Um Winston Churchill zu zitieren ist „die Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert wurden“. Aber nicht umsonst stellen Autokraten weltweit die Systemfrage. Ob Russland oder China – sie halten uns für unterlegen. Umso mehr muss sich die Demokratie als stärker erweisen. Nicht zuletzt die Vorgänge in den USA und Brasilien, aber auch Bestrebungen bei uns im Land zeigen, dass Demokratien angegriffen werden.

Umso wertvoller ist eine Vortragsreihe der Staatlichen Archive Bayerns einzuschätzen, in der die Geschehnisse in Bayern im Jahr 1923, also vor einhundert Jahren, aufgearbeitet werden und zu der Landtagspräsidentin Ilse Aigner die Schirmherrschaft übernommen hat.

In monatlichen Vorträgen erläutern renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Herausforderungen für die Demokratie im Krisenjahr 1923.

Bei der Auftaktveranstaltung im Bayerischen Hauptstaatsarchiv betonte Ilse Aigner, dass die Demokratie das Beste ist, was wir haben. Es stelle sich aber auch die Frage, ob eine Wiederkehr von 1933 möglich sei, angesichts der Parallelen zur Weimarer Republik: globale Wirtschaftskrise, Armutsgefahr in der tragenden Mittelschicht, drohende Rezession, wachsende Unsicherheit über das Morgen, nationale Egoismen und schließlich die abnehmende Anziehungskraft der liberalen Demokratie.

Die Landtagspräsidentin wies darauf hin, dass unsere Demokratie bedroht wird, von außen und innen. Die Coronapandemie war noch nicht vorbei, da folgte der humanistische und humanitäre Katastrophenfall mit dem verbrecherischen Angriffskrieg Putins gegen die souveräne, freie Ukraine.

Wir finden uns in einer Situation wieder, in der es keine Routinen mehr gibt und unsere Politik in weiten Bereichen neu gedacht werden muss. Als Gesellschaft und als Staatenbund müssen wir zeigen: wir sind stärker! Das gilt nach außen und nach innen. Flucht und Migration werden im Kampf gegen unsere Werte ebenso missbraucht, wie Pandemie und Krieg. Demokratie muss wehrhaft sein und bleiben!

Dr. Bernhard Grau, Generaldirektor der Staatlichen Archive Bayerns konnte zur Auftaktveranstaltung eine ganze Reihe prominenter Gäste begrüßen. Neben der Landtagspräsidentin waren u.a. der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Dr. Hans-Joachim Heßler, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Dr. h.c. Charlotte Knobloch und Luitpold Prinz von Bayern gekommen.

Als besonderes Archivale präsentierte Dr. Markus Schmalzl von der Generaldirektion der Staatlichen Archive den Bericht des Polizeireferenten Josef Zetlmeier vom 22. Dezember 1922 an den damaligen Ministerpräsidenten Eugen von Knilling zu zehn Versammlungen der NSDAP. In diesem Dokument von herausragender Bedeutung für die Demokratiegeschichte Bayerns berichtete Zetlmeier über die gefährlichen Aktivitäten der NSDAP. Bereits im Jahr 1925 stufte Zetlmeier Hitlers „Mein Kampf“ als demokratiefeindlich ein. Die weitere Entwicklung ist bekannt. Zuhörerinnen und Zuhörer konnten den Bericht in einer Schauvitrine auch im Original in Augenschein nehmen.

Anschließend referierte Professor Dr. Thomas Raithel vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin zum „Thema Demokratie und Nationalsozialismus zu Beginn des „Krisenjahres“ 1923“ mit anschließender Diskussion.

Am 2. März 2023 sprach Professor Dr. Dieter J. Weiß (LMU München, Lehrstuhl für Bayerische Geschichte und Vergleichende Landesgeschichte mit besonderer Berücksichtigung des Mittelalters und Mitglied im Landesvorstand des Bayernbunds) zum Thema „Gesellschaft, Staat, Adel und vormaliges Königshaus: Die alten Eliten als Stützen der Demokratie in Bayern?“.  Dazu erscheint ein Bericht in der nächsten Ausgabe der Weiß-Blauen Rundschau.

Alle Vorträge werden auch gestreamt, Zugangslink unter www.gda.bayern.de. (Fritz Lutzenberger)

Details zu allen Vorträgen sind im Internet zu finden: https://www.gda.bayern.de/aktuelles/demokratie-im-abwehrmodus-bayern-im-krisenjahr-1923/.

Fotos: Fritz Lutzenberger